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10.05.2024

Was ist Wissensmanagement und reicht dafür ein Tool

Ich habe mich in meinem Blogpost Wissensmanagement-Ansätze mit verschiedenen methodischen Ansätze beschäftigt.

Heute möchte ich nochmals auf die Grundlagen zurück kommen und klären, was eigentlich unter Wissensmanagement verstanden wird und ob eine "Wissensdatenbank" allein - sei es analog als Zettelkasten oder digital als Notizsammlung - ausreicht. 

Um die wichtigste Botschaft vorweg zu nehmen. Wissen ist mehr als eine Methode und eine reine "Notizsammlung" schafft noch kein Wissen.     

[In der Blog-Übersicht wird hier ein Weiterlesen-Link angezeigt]

 "Wissensmanagement beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, dem Transfer, der Speicherung sowie der Nutzung von Wissen. Wissensmanagement ist weit mehr als Informationsmanagement" (Frost, Gabler Wirtschaftslexikon, 2018)

Wissen kann in explizites Wissen (Orte, Fakten, Ereignisse), über das wir berichten können und implizites Wissen (individuell, aus Erfahrung, eigenen Werten oder Talent) unterschieden werden. Zum Beispiel sind Videos, Bücher oder Anleitungen über das Fahrradfahren explizites Wissen. Aber um beispielsweise Fahrradfahren zu lernen, bedarf es der eigenen Erfahrung und Übung, was implizites Wissen ist.

"Das implizite Wissen setzt uns (und Tiere) in die Lage, unser Verhalten an neue Bedingungen anzupassen, zukünftige Ereignisse zu erwarten, die Wahrnehmungs- und Handlungsweisen entsprechend den erwarteten Zuständen anzupassen und aus mehreren Optionen von Handlungen auszuwählen. Dabei lernt das implizite Wissenssystem (fügt also neues Wissen seinem Gedächtnis zu)..." (MENZEL, Randolf. Der Blick der Neurowissenschaften auf den Menschen. 2009, S.4) 

Es wird deutlich, dass explizites Wissen relativ leicht übertragen werden kann, während implizites Wissen schwieriger zu vermitteln ist, da es von individuellen Erfahrungen abhängt. Es besteht also eine Kombination aus erlerntem explizitem Wissen und persönlicher Erfahrung und Talenten. Das ist jetzt sicher verkürzt und vereinfacht dargestellt, da die Begriffe implizites und explizites Wissen in verschiedenen Kontexten betrachtet und verwendet werden. 

Michael Dick und Theo Wehner unterscheiden hier vier unterschiedliche Bereiche:

1. sozio-ökonomisch ("Wissensgesellschaft")

2. psychologisch ("Wissensarbeit")

3. technisch ("Wissenstechnologie") und

4. organisatorisch ("Wissensorganisation")

(vgl. DICK, Michael; WEHNER, Theo. Wissensmanagement zur Einführung: Bedeutung, Definition, Konzepte. Wissensmanagement-Praxis. Einführung, Handlungsfelder und Fallbeispiele, 2002, S. 2.)

Es wird auch immer wieder betont, dass für die Wissensgenerierung ein sozialer Austausch erforderlich ist, bei dem nicht nur explizites, sondern auch implizites Wissen ausgetauscht wird. (vgl. Reinmann-Rothmeier, Gabi. "Mediendidaktik und Wissensmanagement." MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 2002, S.14.)

Die größte Wissensbasis liegt tatsächlich im Bereich des impliziten Wissen. Es gibt also keine zwei Menschen auf der Welt, die über dasselbe Wissen verfügen. Informationen werden zu Wissen, wenn Individuen sie interpretieren, in einen Kontext setzen und mit ihren eigenen Erfahrungen verknüpfen.  
​(vgl. NONAKA, Ikujiro; TOYAMA, Ryoko; KONNO, Noboru. SECI, Ba and leadership: a unified model of dynamic knowledge creation. Long range planning, 2000, 33. Jg., Nr. 1, S.7)

Häufig wird dies auch mit einem Eisberg-Bild veranschaulicht. Die Spitze des Eisberges repräsentiert das explizite Wissen, während der unter der Wasseroberfläche liegende Teil das implizite Wissen darstellt. 


Zurück aber zur Eingangsfrage, ob ein "Wissenstool" ausreicht, um das Wissen zu erweitern. 

Schon aus dem zitierten Eingangssatz wird klar, dass ein Wissenstool und das bloße sammeln von Informationen nicht ausreichen, um Wissen zu erlangen. Im Folgenden werden wir sehen, dass dies nur ein Baustein ist und alle Wissensmanagement-Methoden über die verschiedenen Schritte: Wissen effektiv erfassen, organisieren und teilen, verfügen. 

Viel wichtiger ist, sich mit den gesammelten Informationen auch zu beschäftigen. Sei es über Communities of Practice, Storytelling, Mentoring, Blogpost oder Artikel / Bücher schreiben. Es ist wichtig - wie weiter oben erwähnt - sich über Wissen auch auszutauschen.  

Sehr vereinfacht kann man dies in 3 Leveln darstellen

Level 1: Eine Information zu haben (Information)  
Level 2: Etwas zu wissen (Revelation)  
Level 3: Etwas mit dem Wissen zu tun (Application)

Level 1:

Im ersten Schritt sammeln wir Informationen. Das kann in Form einer Datenbank erfolgen, in einem analogen Zettelkasten, einem digitalen Notiztool, einem analogen Notizbuch oder auch in gespeicherten Bookmarks.  

Dabei handelt es sich jedoch noch nicht um Wissen, sondern um eine  "Informationsdatenbank". Um daraus etwas ableiten zu können und sich zielgerichtet mit den gesammelten Informationen zu befassen, ist es sinnvoll, sich auf einen "Platz" zu fokussieren, an dem die Informationen gesammelt werden. Dieser Platz kann ein Tool sein, aber auch ein analoger Zettelkasten, wie bereits erwähnt.  

Level 2:

Im zweiten Schritt geht es darum aus diesen Informationen Wissen zu generieren. Dies erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit den Informationen. Wir bewerten sie anhand unserer eigenen Erfahrungen und Erwartungen und setzen sie in einen Kontext. Wir stellen Zusammenhänge her und ziehen erste Schlussfolgerungen. Um Zusammenhänge herstellen zu können, sollten die Quellen nicht an verschiedenen Stellen verstreut sein. 

Tiago Forte verarbeitet seine Informationen im Schritt "Distill" oder Zusammenfassen, während Niklas Luhmann bei der Erstellung neuer Notizen aktiv mit den bereits im Zettelkasten befindlichen Notizen arbeitet und neue Informationen ergänzt. Er bringt neue Informationen also in den Kontext der bereits vorhandenen Informationen in seinem Zettelkasten.

Das sind nur zwei der Beispiele für unterschiedliche Herangehensweisen, um mit den gesammelten Informationen aktiv zu arbeiten. 

Wir bewerten also die gesammelten Informationen und verarbeiten diese. Erst daraus entsteht neues Wissen oder ergänzt unser bisheriges Wissen.  

Die Informationen stehen grundsätzlich im Kontext der eigenen Erfahrungen und Erwartungen und werden dahingehend auch bewertet.

Level 3:

Im letzten Schritt geht es um die Anwendung des erlernten Wissens. Hier geht es darum, das gewonnene Wissen in konkrete Handlungen und Entscheidungen umzusetzen. Dies kann auf vielfältiger Weise geschehen, sei es durch das Verfassen eines Blogposts, das Halten eines Vortrags zur Weitergabe des Wissens oder - wie im Falle Luhmanns- durch das Schreiben von Artikeln und Büchern. Wir wenden das explizite und implizite Wissen also aktiv an und tauschen uns darüber aus. 

Dick und Wehner beschreiben bezüglich Wissensaustausch vier Transformationen. 

1. Sozialisation: Hier wird implizites Wissen implizit weitergegeben.  Man macht also gemeinsame Erfahrungen

​2. Externalisierung: Dabei wird implizites Wissen verbalisiert und wird somit zum expliziten Wissen.

​3. Kombination: hier wird explizites Wissen neu kombiniert, bleibt also explizit

4. Internalisierung: Wir eignen uns explizites Wissen an und es wird  dadurch zu implizitem Wissen

(vgl. DICK, Michael; WEHNER, Theo. Wissensmanagement zur Einführung: Bedeutung, Definition, Konzepte. Wissensmanagement-Praxis. Einführung, Handlungsfelder und Fallbeispiele, 2002, S. 13.)

Diese vier beschriebenen Ebenen geht auf das SECI-Modell der japanischen Organisationswissenschaftlern Nonaka und Takeuchi zurück, die es 1995 erstmalig so formuliert haben. Sie haben es auch als "Wissenspirale" bezeichnet.

(vgl. NONAKA, Ikujiro; TOYAMA, Ryoko; KONNO, Noboru. SECI, Ba and leadership: a unified model of dynamic knowledge creation. Long range planning, 2000, 33. Jg., Nr. 1, S. 5-34.)


Wichtig ist vor allem der dritte Schritt, da er uns erkennen lässt, ob wir das Wissen wirklich verstanden haben. Unser Gehirn kann uns manchmal in die Irre führen. Nehmen wir an, wir haben einen Artikel gelesen. Beim Erstellen eines Exzerpts kommt uns das Gelesene bekannt vor und wir glauben es verstanden zu haben. Doch erst wenn wir versuchen, es einer zweiten Person zu erklären, werden wir feststellen, ob wir es tatsächlich verstanden haben oder ob es uns nur bekannt vorkam und wir geglaubt haben, das wir es verstanden haben.  In diesem Zusammenhang stößt man auch immer wieder auf die sogenannte Feynman-Methode.


Lernen, Wissensaneignung und -verarbeitung sind in allen Fällen eine Kombination aus explizitem und implizitem Wissen. Es geht also weit über die Frage hinaus, mit welchem Tool wir Wissen sammeln und wie wir es am besten "sortieren". 

Wissensmanagement ist ein komplexes und vielschichtiges Thema, das sich ständig weiterentwickelt. Im deutsch-sprachigen Raum häufig im Kontext von Organisationen diskutiert. 

Es geht darum, das vorhandene Wissen zu nutzen, neues Wissen zu schaffen und sicherzustellen, dass dieses Wissen zugänglich und nutzbar ist. In einer zunehmend vernetzten und globalisierten Welt wird effektives Wissensmanagement immer wichtiger, um in der Flut der Informationen und Geschwindigkeit der Nachrichten den Überblick zu behalten.