Vergleich zwischen Second Brain und Zettelkasten
Nachdem ich in vorherigen Blogposts über das Buch "Building a Second Brain" von Tiago Forte und über den Zettelkasten von Niklas Luhmann geschrieben habe, möchte ich im folgenden diese beiden "Methoden" gegenüberstellen und der Frage nachgehen, worin die Unterschiede liegen.
Denn in der PKM-Community werden diese beiden Konzepte oftmals synonym verwendet, was so nicht korrekt ist, denn es gibt signifikante Unterschiede.
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Second Brain von Tiago Forte ist ein Informations- und Projektmanagementsystem und basiert auf den Ideen von Getting things done von David Allen. Es umfasst damit einen breiten Umfang von Projektmanagement und Lebensbereichen.
Tiago Forte stellt zum einen seine Ordnerstruktur vor - genannt PARA - und seine Informationsverarbeitungsmethode - genannt CODE.
Es wird also erst eine Projektidee oder ein Cluster für einen Lebensbereich generiert und dann Informationen dazu gesammelt, die dann in die entsprechenden Ordner sortiert werden. Zunächst ohne weitere Verarbeitung, also beispielsweise eine Zusammenfassung.
Erst wenn beispielsweise an einem Projekt weiterarbeitet gearbeitet wird, greift er auf die gesammelten Informationen im entsprechenden Projektordner zu und verarbeitet diese dann weiter.
BASB ist also sehr Aktions- oder Handlungsgetrieben.
Das Ziel des Zettelkastens ist ein völlig anderes. Es existiert keine "Ordnerstruktur" oder Hierarchie. Es werden Zettel angelegt, die sich nur darin unterscheiden, ob sie eine sogenannte Literaturnotiz sind oder ein "Hauptzettel".
Luhmann ging es auch nicht darum "wahllos" möglichst viel Wissen auf Zetteln zu sammeln, sondern er arbeitet aktiv mit seinem Zettelkasten, um ihn dazu zu nutzen Artikel oder Bücher zu schreiben. Neue Zettel wurden von ihm immer auf Basis bereits vorhandener Zettel erstellt. Nachdem er also seinen Literaturzettel angelegt hatte, suchte er in seinem Zettelkasten nach passenden Zetteln und erfasste weitere in Ergänzung zu diesen bereits bestehenden. Neue Zettel mussten mindestens Anschluss an einen bestehenden Zettel haben.
Der Zettelkasten ist also eine Methode zur Verarbeitung von Wissen um daraus Output zu generieren.
Damit kennt der Zettelkasten auch keinen "Workflow". Der einzige Grundsatz ist der oben beschriebene "Anschluss" an einen bereits bestehenden Zettel.
Daher nannte Niklas Luhmann seinen Zettelkasten auch seinen Gedankenpartner oder bezeichnete ihn als Wiederkäuer.
Auch im Umgang mit den jeweiligen Quellen unterscheiden sich beide.
Tiago Forte "sammelt" Quellinformationen und löst sich davon erst, wenn er sich aufgrund eines Ereignisse, wie beispielsweise einer Deadline für ein Projekt, damit beschäftigt und verarbeitet er dann die jeweiligen Quellinformationen weiter.
Luhmann dagegen löst sich eigentlich sofort von der jeweiligen Quelle. Selbst seine Literaturnotizen enthalten auf der Rückseite weniger Zitate als seine eigenen Gedanken zum gerade gelesenen.
Bob Doto hat es treffend in seinem Essay "How Progressive Summarization and Zettelkasten get Along beschrieben:
BASB startet mit einer Festlegung "ich will über PKM schreiben". Erst danach startet man mit der Auswertung der bereits gesammelten Notizen und fragt sich welche man davon zusammen fassen kann oder welche nützlich sind.
Notizen werden also gesammelt und zusammengefasst nachdem man über ein Projekt entschieden hat.
Beim Zettelkasten startet man mit einer Frage: "lieber Zettelkasten, worüber sollte ich heute schreiben?" um dann eine Sequenz von Zetteln zu finden, die bereits zusammen gefasst und verlinkt sind.
Notizen werden gesammelt oder zusammengefasst bevor ein Artikel oder Buch geschrieben wird.
Beide Methoden stehen allerdings nicht im Widerspruch, sondern können sich durchaus ergänzen, da beide Methoden natürlich ihre Stärken haben. Aber sie sind eben nicht identisch. Weder in der dahinter liegenden Grundidee noch im Aufbau noch wofür man sie verwendet.
Quelle:
Doto, 2021: How Progressive Summarization and Zettelkasten get along