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14.04.2024

Der Zettelkasten von Niklas Luhmann und meine Erfahrungen damit

Niklas Luhmann war ein deutscher Soziologe und Professor an der Universität Bielefeld, der über Jahrzehnte hinweg seine Gedanken und Literatur in einem Zettelkasten verwaltet hat. Mit Hilfe dieses Zettelkastens war Luhmann in der Lage über 50 Bücher und über 600   Artikeln zu schreiben und zu veröffentlichen.

[In der Blog-Übersicht wird hier ein Weiterlesen-Link angezeigt]

Luhmann sprach von seinem Zettelkasten auch von seinem Zweitgedächtnis, mit dem er in Kommunikation stand. 
Er war also für Luhmann sehr viel mehr als nur ein Archiv, sondern sein kreativer Gesprächspartner. 

Es gab zwei Zettelkasten. In den einen kamen seine bibliographischen Zettel hinein. Darauf vermerkte er auf der Vorderseite die bibliographischen Angaben zur Lektüre und auf der Rückseite seine eigenen Gedanken zur Lektüre. Also kein Exzerpt der Lektüre sondern z.T. nur Stichwörter oder kurze Gedanken.

Auf Basis dieser bibliographischen Zettel schrieb Luhmann dann eigene Gedanken auf. Wichtig war ihm immer, dass er dies im Hinblick auf bereits bestehende Zettel tat. Er schaute also nach der Lektüre, was er zu diesem Thema bereits in seinem Zettelkasten fand und ergänzte dann mit weiteren Zetteln auf Basis der Lektüre. 

So wuchs der Zettelkasten auf über 66.000 Zettel an  plus rund 16.000 Literaturzettel. 

Es gibt auch noch einen Zettelkasten aus früheren Jahren mit rund 24.000 Zetteln.


Um in dieser unglaublichen Anzahl von Zetteln irgendetwas wieder zu finden, hat Luhmann ein ganz eigenes System aufgebaut

Der Zettelkasten ist strukturiert nach

Abteilungen
Die Zettel sind nach Abteilungen - man kann es auch als "Oberbegriff" bezeichnen -  sortiert. In seinem späteren Zettelkasten gibt es beispielsweise 11 Abteilungen. Darunter gibt es eine zweite Ebene

Beispiel: 2 Funktionalismus - 21 Funktionsbegriff

Eindeutige Nummerierung
Die Zettel sind nach einer bestimmten Systematik nummeriert, d.h. folgen der Abteilung, wobei es Einschübe geben kann, die eigentlich in andere Abteilungen gehören würden. Allein die Systematik dieser Nummerierung zu verstehen, ist durchaus herausfordernd

Verweisungen
Auf Zetteln werden Verweise eingefügt auf andere Zettel

  • Verweise im Rahmen einer Art Gliederungsstruktur. Man kann sich das wie eine Buchgliederung vorstellen
  • Sammelverweise am Beginn eines "Blocks von Zetteln", sogenannte "Hub-Zettel", d.h. Auflistung mehrerer Zettel zu einem bestimmten Thema
  • Einzelverweise im Fließtext auf andere Zettel

Schlagwortregister
Luhmann hat ebenfalls ein Schlagwortregister aufgebaut, allerdings sind pro Schlagwort nur wenige Systemstellen aufgeführt. Der Rest ergibt sich dann durch die Verweise.

Sein Grundprinzip war
Jeder neue Zettel muss einen Anschluss an einen bereits existierenden Zettel haben

Anhand dieser Systematik, welches er selbst als kybernetisches System bezeichnet hat, das eine Kombination von Unordnung und Ordnung, von Klumpenbildung und unvorhersehbarer Kombination ermöglichen. 

Es konnte also vorkommen, dass man in der Reihenfolge der Zettel - wenn man diese einen nach dem anderen durchschaute - von einem Thema zu einem völlig anderen Thema kam, da es manigfache "Einschübe" gab.

Es war also weitaus mehr als nur ein Archiv oder eine lose Zettelsammlung, sondern Luhmann arbeitete aktiv mit dem Zettelkasten. Es war sein Gedankenpartner


Eine Vorstellung der Zettelkastenmethode und Einblicke in die Struktur Kann man in folgendem Youtube-Video anschauen. 

Niklas Luhmann – 2016 – Ich denke ja nicht alles allein (Zettelkasten als Zweitgedächtnis) 

Johannes Schmidt ist wissenschaftlicher Koordinator und kümmert sich um die wissenschaftliche Erschließung des Nachlasses von Niklas Luhmann, d.h. insbesondere um den Zettelkasten.

Wie bereits in meinem Blogbeitrag Ich bin ein Spielkind oder mein ganz persönliches Shiny Object Syndrom beschrieben, war ich fasziniert von seiner Methode des Zettelkastens, bin am Ende aber an seiner Komplexität gescheitert. Elemente daraus - wie beispielsweise die Verlinkung auf andere Notizen - finden sich aber auch in meiner "Wissenssammlung".